Von Sebastian Striebich Veröffentlicht: 19.10.2023 19:02 (ZVW)
Ronja Siegle aus Berglen ist 17 Jahre alt und schon seit Jahren in der Jugendfeuerwehr aktiv. Mark Warbanoff aus Winnenden ist 43 Jahre alt und ein klassischer Quereinsteiger. Heiko Dilger aus Birkmannsweiler, 36 Jahre alt, kennt eine ähnliche Kameradschaft aus seiner Zeit als Berufssoldat. Sie alle sind am Samstag am Feuerwehrhaus Zipfelbach bei den Prüfungen zum „Truppmann“ (beziehungsweise: zur Truppfrau) gefragt. Der erfolgreiche Abschluss des entsprechenden Lehrgangs ist die Voraussetzung für Einsätze in der Freiwilligen Feuerwehr.
Grundausbildung bei der Feuerwehr: 34 frische Kräfte aus Winnenden, Berglen und Schwaikheim
Die Grundausbildung, organisiert vom Kreis, ausgeführt von den örtlichen Feuerwehren, hat es in sich: Seit Mitte September haben 34 frische Kräfte aus Winnenden, Berglen und Schwaikheim satte 80 Kursstunden unter der Woche und am Wochenende absolviert. Neben Übungseinsätzen und Technik-Lehrstunden meisterten sie einen 16-stündigen Erste-Hilfe-Kurs beim Deutschen Roten Kreuz in Winnenden, lernten den Umgang mit Sprechfunkgeräten und ließen sich von der Polizei über die Sonderrechte der Feuerwehr im Straßenverkehr aufklären. An diesem Samstag steht das große Finale an: Stationsabnahme im Trupp, eine schriftliche Klausur und die Abschlussprüfung.
Puh! Wer nimmt diesen Stress bloß auf sich? Und warum?
Von wegen Stress – die Ausbildung macht „sooo viel Spaß“, sagt Ronja Siegle
Im Gespräch mit unserer Redaktion will Ronia Siegle von Belastung nichts wissen. Im Gegenteil, die vergangenen Wochen hätten ihr „sooo viel Spaß“ bereitet, berichtet die 17-Jährige. Spannend wurde es zum Beispiel, als bei einer Übung Kreativität gefragt war: Wo bekommen wir nur Wasser her in einem unbekannten Gebiet? Bei der Feuerwehr gelandet sei sie auf der Suche nach einem Hobby, „bei dem man anderen Menschen etwas Gutes tun kann“, erklärt die Berglenerin. Viele aus ihrem Freundeskreis und der Familie sind bei der Feuerwehr aktiv. Sie fühlt sich von den Kameraden sehr gut aufgenommen, auch wenn sie unter den Neuen als eine von nur fünf Frauen in der klaren Minderheit ist. Das kenne sie aber ohnehin aus ihrer Ausbildung zur Land- und Baumaschinenmechatronikerin.
Immobilienunternehmer Mark Warbanoff sagt über die vergangenen fünf Wochen: „Die Zeit verging unfassbar schnell. Was wir da alles gelernt haben!“ Wobei er auf manche Wiederholung gerne verzichtet hätte: „Ich finde Schlauch-Aufrollen unfassbar anstrengend“, sagt er und lacht. Der Zusammenhalt in der Feuerwehr sei für ihn als Ältestem des Lehrgangs ein Anreiz gewesen, einzutreten. „Rekrutiert“ worden sei er auf einem Sommerfest der Feuerwehr, das er mit dem Nachwuchs besucht hatte. „Auf der Heimfahrt dachte ich: Warum eigentlich nicht?“ Er habe schon jetzt das Gefühl, viele seiner Kameraden seit Ewigkeiten zu kennen: „Da bin ich zu hundert Prozent super aufgehoben.“
Die Kameradschaft aus der Zeit in der Bundeswehr hat Heiko Dilger vermisst
Wie der Winnender ist auch Heiko Dilger, der in der Geschäftsführung des Familienbetriebs Heimsch in Plüderhausen arbeitet, seit einigen Monaten Mitglied der Abteilung Buchenbach. Der 36-Jährige war lange bei der Bundeswehr, vermisste in den vergangenen Jahren die Kameradschaft und hat sie jetzt bei der Wehr wiedergefunden. „Man sollte schon Spaß daran haben, Dinge anzupacken“, sagt er – und die Bereitschaft, die Zeit, die für das Ehrenamt aufzuwenden ist, im Beruf und bei der Familie freizuschaufeln. Mit der Ausbildung zum „Truppmann“ ist es schließlich nicht getan. Weitere Übungen und Lehrgänge, in zwei Jahren etwa der zum Truppführer, werden folgen – und natürlich echte Einsätze.
Wer bald auch im Ernstfall mit „anpacken“ will, muss freilich erst einmal am Samstag die Prüfung bestehen. Mit einer hohen Durchfallquote ist zwar nicht zu rechnen, Ausbilder Jochen Gruber, Kommandant der Abteilung Nord in Berglen, stellt jedoch klar: „Wir haben ganz klare Vorgaben gemacht, was erreicht werden muss. Klar, das ist unser Hobby, aber auch ein verantwortungsvoller Job. Wir müssen uns im Einsatz aufeinander verlassen.“ Er blickt zu Ronja Siegle. „Ich darf mich später auf die Ronja verlassen und wenn ich weiß, sie hat eine gute Ausbildung, dann fühle ich mich sicher.“
Deshalb hieß es für Ex-Soldat Heiko Dilger und Co. zuletzt: „Üben, üben, üben. Wie damals beim Bund. Im Einsatz muss man nachher funktionieren.“
Das heißt aber nicht, dass die Neulinge direkt als Erste ins brennende Haus geschickt werden. In der Regel wird ihnen Zeit gegeben, in der zweiten Reihe dazuzulernen, „in die Aufgaben hineinzuwachsen“, sagt Feuerwehr-Pressesprecher und stellvertretender Jugendwart Florian Claß.
Neue Einsatzkräfte sind gefragt: „Es ist wichtig, dass man am Ball bleibt“
In der Vergangenheit sei es einfacher gewesen, neue Ehrenamtliche dazuzugewinnen. Doch nicht erst der jüngste Großeinsatz der Feuerwehr im Sommer, als es in der Winnender Innenstadt brannte, hat gezeigt, wie wichtig der Einsatz in der Freiwilligen Feuerwehr für die Gesellschaft ist. Darum investieren die Verantwortlichen auch viel Zeit und Kraft in die Akquise neuer Kräfte, wie Ausbildungsleiter Tobias Distler sagt. „Es ist wichtig, dass man am Ball bleibt.“
Haben die Neuen erst einmal Feuer gefangen, beginnt die Arbeit für Jochen Gruber und weitere Ausbilder erst so richtig. Doch die viele Zeit, die in die Vorbereitung von Lehrgängen und Übungen gesteckt wird, zahlt sich aus. Es sei schön zu sehen, wie die Auszubildenden dazulernten, sagt Jochen Gruber. Schaffen sie dann die Prüfung, sind die Ausbilder stolz: „Dann haben wir das, was wir wissen, gut rübergebracht.“
Quelle: Winnender Zeitung vom 19.10.2023